Ostermarsch Köln: Sehnsucht nach Frieden

Ungefähr 150 Friedensaktivisten kamen zum diesjährigen Ostermarsch in Köln zusammen. Das sind nicht viele. Und sie sind durch den russischen Angriffskrieg gespalten, wie Insider berichten. Diese Spaltung geht allerdings durch die gesamte Gesellschaft. Außer dem Kölner Friedensforum ist nicht klar, wer überhaupt zur Veranstaltung aufgerufen hat. Auch in Hamburg riefen weder Die Linke noch der DGB zu Kundgebungen auf. Sie wollen „Die anklingende Relativierung der Verantwortlichkeit für diesen Krieg (können wir) nicht mittragen“. Die Einen werden als Bellizisten beschimpft, die anderen als realitätsfern und naiv. Dabei wird verkannt: Beide eint die Sehnsucht nach Frieden und die Sorge um eine Ausweitung der Konflikte, vor allen Dingen atomar. Das bringt die Rede von Gerold König von pax christi zum Ausdruck – hier nachzulesen. Doch diese Sehnsucht dürften sie mit allen Menschen teilen. Das ist unbedingt anzuerkennen und ehrt sie. Vielleicht mit Ausnahme der Kriegsaufgehetzen russischen Gesellschaft – und manchen der russischen Community in Deutschland. Und alle eint auch: sie bieten keine Lösung für den Konflikt.

Interessierte Medienvertreter/Redaktionen können die Bilder hier anfragen.

Egal, wie man zu Waffenlieferungen in die Ukraine steht. Der Philosoph und bekennender Pazifist Olaf Müller, Professor an der Humboldt-Universität in Berlin, äußerte, dass man sich in jedem Fall schuldig macht, gleich für welche Seite man sich entscheidet. Doch – so Gerhard Baum am 8. April – ein „Pazifismus, der nicht wehrhaft ist, der ist nicht wirkungsvoll“. Und ich ergänze: und auch nicht verantwortungsvoll. Macht man sich also nicht mehr schuldig, wenn man die Ukraine einem durchgeknallten Faschisten und Kriegsverbrecher Putin unter Missachtung des Völkerrechts schutzlos überlässt? Und später vielleicht Moldau, Georgien und das Baltikum als geopolitische Kriegsbeute? Erneut wird gegenwärtig die ganze Welt durch Russlands Machthaber mit dem Stopp von Getreidelieferungen in Geiselhaft genommen unter Inkaufnahme von mehr Hungertoten.

Ist das die Welt, der wir künftig angehören wollen? In der Diktatoren meinen, mit Gewalt ihre Ziele erreichen zu können? Matthias Koch vom RND: „Putin vertraut auf eine teuflische internationale Allianz. Chinas Präsident Xi Jinping, selbst ein Mann mit ungesunden Allmachtsallüren, unterstützt ihn ökonomisch. Die Mullahs im Iran, die gerade reihenweise ihre Kritiker aufknüpfen, helfen ihm militärisch. Und sein Nachbar Alexander Lukaschenko in Belarus, der Regimegegner bei offenem Fenster foltern lässt, um seine Untertanen durch die Schreie zu erschrecken, erlaubt dem russischen Militär neuerdings die Stationierung von Atomraketen an der Grenze zum Nato-Staat Polen.“ Alles eine Welt, die ich mir nicht vorstellen möchte. Mir ist eine Demokratie mit all ihren Defiziten deutlich lieber.

Präsident Putin bleibt bei seinen Forderungen und dass die Ukraine kein Existenzrecht hat. Und Russlands Außenminister Sergej Lawrow stellte erst am 7. April Friedensgespräche nur im Falle einer „neuen Weltordnung“ in Aussicht, ohne eine Vorherrschaft der USA. Doch diese haben die USA längst nicht mehr, sondern der Newcomer China. Und China – fest an der Seite Russlands stehend – lehnt dankend ab, als Verhandler bei Friedensgesprächen aufzutreten, sondern hilft bei der Spaltung Europas mit. Kürzlich zu sehen, als für den europäischen Quertreiber Macron wegen seiner Geschäfte mit China der rote Teppich ausgerollt, die Präsidentin der Europäischen Union Ursula von der Leyen wegen ihrer Kritik aber durch den Dienstboteneingang geleitet wurde. Die Botschaft war klar: Wir werden Euch schon zeigen, wo der Frosch die Locken hat.

Ja, wir wissen, dass NATO und die „Westmächte“ in der Vergangenheit Fehler gemacht haben. Auf der Auftaktveranstaltung in Köln zum Ostermarsch Rhein-Ruhr waren die Plakate unübersehbar. Nicht thematisiert wurden dagegen die zahlreichen imperialistischen Kriege von UDSSR und Russischer Föderation nach dem II. Weltkrieg. Man wollte davon nichts wissen. Für nahezu alle Teilnehmer waren USA, NATO und der Kapitalismus die einzig Verantwortlichen für alle kriegerischen Gemetzel der Welt. Mit anderen Worten: Borniertheit statt Erkenntnisgewinn bei manch „üblichen Verdächtigen“. Ganz zu Schweigen von fragwürdigen Initiativen von Sahra Wagenknecht und Allice Schwarzer („Manifest für den Frieden“), und nun auch von Peter Brandt („Frieden schaffen“), der schon mal gern für die rechte „Junge Freiheit“ schreibt. Hier verschwimmen manche Grenzen zwischen links und rechts.

Überdies wurde so getan, als ob niemand Frieden wollte. An Empathie für die Betroffenen und der klaren Benennung des Aggressors fehlt es ganz. Und so wundert es nicht, dass auf der Veranstaltung keine ukrainischen Flaggen zu sehen waren, weil die Ukrainerinnen und Ukrainer sich offenbar dort nicht vertreten fühlten. Das ist verständlich, weil die Teilnehmer auf moralischen Druck, Angstmache und zahlreiche Falschinformationen gesetzt haben. Es läuft also nicht mehr gut in der Friedensbewegung.

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Eine persönliche Einschätzung der Entwicklungen und Diskussionspunkte zum Krieg in der Ukraine von Hans-Dieter Hey 

Vorschläge zur Beendigung des Krieges von Paul Schäfer

Ergänzung 8.4.2023

Benjamin Fernecz, der Chefankläger im Einsatzgruppen-Prozess (15. September 1947 – 10. April 1948), 2012 im Schwurgerichtssaal 600 des Justizpalastes Nürnberg. In diesem Saal fanden die Nürnberger Prozesse 1945 bis 1949 statt

Benjamin Ferencz, Chefankläger bei den Nürnberger Prozessen nach 1945, verstarb am 7. April 2023 im Alter von 103 Jahren. Mit seinen Prozessen als Chefankläger gegen die Nazi-Verbrechen hat er weltweit Rechtsgeschichte geschrieben. In einem Interview mit der TAZ am 18.04.2022 äußerte Ferencz, er wolle auch den russischen Präsidenten Putin vor Gericht sehen: „Ich möchte, dass er einen Prozess bekommt und sich verteidigen kann. Lassen Sie ihn reden. Ob er nur Befehle ausführen lassen wollte oder andere Ausreden bringt. Aber man sollte ihn nicht auf dem Plüsch sitzen lassen… Es ist nicht schlimm, zu sagen, dass man froh ist, wenn er weg ist. Das Töten müsse aufhören, die Soldaten sollten ihre Waffen wegwerfen, vor allem die Russen.

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