Poesie der Straße

Der berühmte Fotograf Henri Cartier-Bresson meinte einst: „Herz und Verstand sind das wahre Objektiv der Kamera.“ Dieses Zitat könnte man getrost auf den neuen Fotoband von Peter Ruthardt anwenden. Er nennt sein Buch „Poesie der Straße“. Poesie, uns seit 5000 Jahren bekannt,  bezeichnet ursprünglich die Dichtungskunst, um anderen Menschen Lebensdeutungen näher zu bringen.

Fotografien können dabei noch eine darüber hinaus gehende Wirkung entfalten. Seine Fotos lassen uns das Leben verstehen, und was es für Peter Ruthardt bedeutet. Seine Liebe und freundliche Nähe zu den Menschen auf der Straße sind unverkennbar, seien es Menschen, die sich umarmen, Zeitung lesen, Bettler, Wartende – das Leben, das uns umgibt. Man sieht, dass er gern dabei und unter ihnen verweilt.

Fotografien können auch Gewalttätigkeit ausstrahlen, wenn mit der „Gewalt des Augenblicks“ (Berthold Beiler) der Auslöser betätigt wird. Nicht so die zurückhaltenden Fotografien von Peter Ruthardt, dem „Flaneur mit Mütze und Kamera“. Trotz der Ausdrucksform schwarz-weiß wirken diese nicht hart, sondern sensibel, eben poetisch. Oft „schaut er seinen Mitmenschen auf die Finger, über die Schulter, auf die Gegenstände, die sie mit sich führen, oft auch in die Augen“, heißt es im Klappentext.  

Damit, dass die Fotografien Menschen auf der Straße zeigen, ist Ruthardt ein Wagnis eingegangen. Auf den zahlreichen Fotografien großer Meister haben sich zu früheren Zeiten Menschen gern präsentiert und waren stolz, fotografiert zu werden. Heute ist es für Streetfotografinnen und -fotografen schwierig geworden, Menschen zu fotografieren. Gelegentlich ist dies begleitet von rechtlichen Fragen und sogar mit körperlicher Gewalt. Damit umzugehen, dazu gehört einiger Mut.

Der Fotoband wurde erstmalig vor vier Jahren herausgegeben, begleitet von zahlreichen Schicksalsschlägen. Peter Ruthardt musste lernen, mit seinem Bauchspeicheldrüsenkrebs umzugehen. Eines Tages, nach einer Chemotherapie, wartete er auf seine Frau und wurde plötzlich unruhig. Er trat aus dem Hause, um ihr entgegen zu gehen. Unweit davon fand er sie bei einem Rettungswagen tot auf dem Gehweg. Es folgte eine schwere und lange Trauerarbeit. Trotz der Schicksalsschläge bleibt in seinen Fotos der optimistische Zugang zum Leben erkennbar – in einem sehr persönlichen Fotoband seiner Welt. (Text: Hans-Dieter Hey)

„Poesie der Straße #1“

92 Fotografien
mit einem Vorwort von Christina Bacher
BoD 2022
ISBN: 9783756818136
14,99 Euro

Interessierte Medienvertreter/Redaktionen können die Bilder hier anfragen.

 
 
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